Wie ein unterirdischer Strom, der wieder auftaucht

Die Jesuiten in Vietnam haben lange Verfolgungen überstanden

Von Michael Thanh Sj, Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam

 

 

In den Bergdörfern herrscht viel Armut. Ein Team der Jesuiten sorgt für kleine Projekte zur Verbesserung des Lebens und die Verkündigung des Glaubens.

Seit dem Ende des Vietnam-Krieges und der Revolution 1975 hatten die Jesuiten eine schwere Zeit: alle Häuser in Vietnam wurden geschlossen, darunter auch eine theologische Fakultät, die Missionare aus-gewiesen, etliche der einheimischen Jesuiten waren im Gefängnis. Viele Flüchtlinge verließen das Land. Aber die Kirche und der Glaube leben im Land und im Exil. So sind auch unter den Jesuiten in Deutschland vier Mitbrüder vietnamesischer Abstammung. Heute können die Jesuiten in Vietnam langsam wieder ohne größere Probleme öffentlich auftreten. P. Thanh berichtet über die neue Lage.

Wer nach Vietnam kommt und die Jesuiten sucht, wird keine Institutionen mit großen Hinweistafeln finden. Davon ist kaum etwas übrig. Alle Häuser und apostolischen Werke wurden nach der Revolution 1975 oder nach der Verhaftung von einem Fünftel aller Jesuiten im Jahr 1981 konfisziert. Trotzdem sind die Jesuiten lebendig: einige arbeiten im Licht, andere waren noch im Verborgenen. Ihre Aktivitäten gehen auf verschiedenen Ebenen und an verschiedenen Orten weiter mit demselben Ziel: zur größeren Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen im Land.

Die Menschen in dieser isolierten Kolonie haben ein großes Bedürfnis, über ihr Elend zu sprechen und um Hilfe zu bitten. Auch wenn P. Cosma kein ausgebildeter Berater ist, erfahren sie Trost durch seine menschli-che Zuneigung und den Frieden, der aus seinem Herzen strömt.

Gleichzeitig war P. Cosma über viele Jahre für die No-vizen im Untergrund zu-ständig, die Jesuiten werden wollten. Diese blieben nor-male Studenten oder Be-rufstätige in ihrer gewohn-ten Umgebung. Für einen Jesuitenpriester in einer Pfarrei war es einfacher, diese Novizen zu treffen als für die Patres, die in einer Gemeinschaft leben.

Die Ausbildung von Katechisten und Exerzitien sind wichtige Aufgaben für die Jesuiten.

Seelsorge bei den Lepra-Kranken

Pater Cosma Hoang SJ zum Beispiel war seit 17 Jahren Pfarrer in der Hl.-Engel-Pfarrei. Er kommt seitdem zweimal in der Woche auch ins Pacific-Leprosarium am Saigon-Fluss, um hier die Messe zu feiern. Gegenüber auf der anderen Flussseite sieht man das luxuriöse Zentrum von Ho-Chi-Minh-Stadt.

Er bleibt dann übernachtet dort. Nach einem guten Abendessen bei der Familie eines leprakranken trifft er normalerweise die Patienten in allen Altersstufen, katholisch oder nicht-katholisch, im Esszimmer, das gleichzeitig auch Schlafzimmer und Büro ist. An einigen Abenden geht es durch bis 2 Uhr nachts.

 Die Menschen in dieser isolierten Kolonie haben ein großes Bedürfnis, über ihr Elend zu sprechen und um Hilfe zu bitten. Auch wenn P. Cosma kein ausgebildeter Berater ist, erfahren sie Trost durch seine menschliche Zuneigung und den Frieden, der aus seinem Herzen strömt.

Gleichzeitig war P. Cosma über viele Jahre für die Novizen im Untergrund zu-ständig, die Jesuiten werden wollten. Diese blieben normale Studenten oder Berufstätige in ihrer gewohnten Umgebung. Für einen Jesuitenpriester in einer Pfarrei war es einfacher, diese Novizen zu treffen als für die Patres, die in einer Gemeinschaft leben.

Der Glaube lebt in Vietnam und hat den Menschen immer wieder geholfen, auch schwierige Zeiten durchzustehen.

Bei den Bergvölkern

„Daddy" ist der Spitzname, den die Bergvölker Bruder Nich gegeben haben. Über 15 Jahre hat er dort gearbeitet. Wie in vielen anderen Ländern Asiens oder Südamerikas haben die endlosen Auseinandersetzungen über das Land der Vorväter auch in Vietnam zu Abspaltungstendenzen geführt. Deswegen sind alle Aktivitäten — auch humanitäre oder religiöse — bei den Bergvölkern den Autoritäten sehr verdächtig.

Gemeinsam mit zwei anderen Jesuiten arbeitet Nich in den abgelegenen Gegenden dreier Bergdiözesen, wohin die Pfarrer nicht kommen. Neben der Verkündigungsarbeit hat das Team sich zur Aufgabe gemacht, das Leben der Bevölkerung zu verbessern. Viele Projekte wurden entwickelt, um den Menschen weiterzuhelfen: Kleinkredite ohne Zinsen, damit die Familien ihr Land nicht unter Preis verkaufen müssen; mehrere Gesundheitsstationen für die Bedürftigen in Zusammenarbeit mit Ordensschwestern;

Internate in den Städten für Schüler aus den Bergen; Stipendien für Jugendliche, die studieren gehen und anschließend zurückkommen, um der Bevölkerung in ihren Dörfern als Lehrer, Krankenschwestern, Landwirtschaftsfachleute oder Tierärzte zu dienen.

Für die pastorale Arbeit vor Ort haben Nich und sein Team Katechisten ausgebildet - für Ortsfremde ist es streng verboten, bei den Bergvölkern zu bleiben. Diese Katechisten evangelisieren in ihren Heimatdörfern. Nich hat die vier Evangelien, den Katechismus und Texte des Messbuchs in die verschiedenen Dialekte übersetzt, denn es gab Nachfragen nach Katechese und Wortgottesdiensten in den Dörfern.

Junge Jesuiten beim Gebet. Seit einigen Jahren können junge Männer wieder offen in den Orden eintreten.

Immer unterwegs, überall zu Hause

Während ihrer Fahrten besucht das Team jedes einzelne Dorf, um die Menschen in ihrem Glauben zu ermutigen. An den beiden Hauptfesten, Ostern und Weihnachten, kommen viele Tausende aus den Bergen zu den Missionsstationen nahe der Städte, um an den Gottesdiensten teilzunehmen. Sie werden dann Zeugen, wie Hunderte ihrer Brüder und Schwestern getauft werden. Einige wenige kommen auf Traktoren, die meisten marschieren tagelang durch den Busch.

„Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten" (l Kor 9,22). Nach 15 Jahren unter den Bergvölkern ist Nich selber einer von ihnen geworden. Als er eines Tages fünf Kinder in ein Krankenhaus in der Stadt brachte, ging er auch zu einer Schwesterngemeinschaft, deren Oberin eine Verwandte von ihm ist und bat um ein Mittagessen. Die junge Schwester an der Pforte hielt ihn für einen Bettler und fragte ihn, ob dies alles seine Kinder seien. - Ja Schwester, sie alle. - Wie kommt es dann, dass sie alle ungefähr gleich alt sind und sich nicht ähnlich sehen? - Weil jedes eine andere Mutter hat. Der Schock der jungen Schwester wich erst, als die Oberin kam und sich herausstellte, dass dieser „Bettler" ihr Verwandter war und noch dazu ein Jesuit. Ja, Nich ist nicht nur der Daddy dieser fünf Kinder, sondern auch der Daddy ihrer Eltern und ihrer Dörfer. Überall wo er vorbeikommt, nennen ihn die Leute Dad, weil er ihnen das Leben im Glauben gegeben hat und sie zu einem besseren Leben führt.

 Jesuitenbruder in Vietnam zu sein, macht es leichter herumzureisen, ohne von den Behörden überwacht zu werden wie bei den Priestern. Von den 63 Jesuiten in Vietnam (ohne Novizen) sind 14 Brüder wie Nich.

 

Heimliche Ausbildung von Katechisten

Als Pater Balleis aus Deutschland letztes Jahr im August Pater Phan besuchte, fanden gerade Exerzitien für Jugendliche in P. Phans Haus statt. Diese Exerzitien waren Teil eines sechsmonatigen Trainingsprogramms für Katechisten. Der Direktor des Hauses ist kein Jesuit, sondern eine Schwester.

Es ist schwer vorstellbar, dass dieses kleine Haus auf dem Land mal ein Ausbildungszentrum war (für Schneider, Schreiner, Elektromechaniker etc.). Heimlich gab es aber auch Kurse über Katechismus, Bibel, Methoden des Glaubensgespräches und Religionspädagogik. Die Studenten stammten aus abgelegenen Gegenden im ganzen Land. Nach einem oder zwei Jahren in dem Zentrum hatten sie genug gelernt, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können und gleichzeitig als Katechisten oder Leiter von Glaubensgruppen (wie z.B. der Gemeinschaft Christlichen Lebens, GCL) zu wirken.

Vor fünf Jahren flog das Katechisten-Programm, das ja nur heimlich durchgeführt werden durfte, auf. Das Zentrum musste geschlossen werden. Seitdem wurden einige kleine Treffen außerhalb des Zentrums organisiert. Nur während der achttägigen Exerzitien können sich die Studenten im Zentrum aufhalten. Wir hoffen, dass diese Phase der Überwinterung bald vorbei ist und das Haus wieder im Tageslicht der Kirche dienen kann.

 

Auftauchen aus dem Untergrund

In den letzten 25 Jahren waren die Jesuiten in Vietnam sehr beschränkt in ihrer Freiheit, z.B. mehr Novizen aufzunehmen oder öffentlich aufzutreten. Seit dem Jahr 2000, also seit die Behörden eine offenere Haltung gegenüber den Religionsgemeinschaften einnehmen, tauchten die Jesuiten von Vietnam Schritt für Schritt aus einer Untergrundsituation wieder auf. Wo es Verfolgungen gibt, da blühen die Berufungen. In den letzten zwei Jahren sind jedes Jahr durchschnittlich 12 junge Männer in das Noviziat eingetreten und die Warteliste umfasst 80 Namen. Auf der anderen Seite werden die Jesuiten älter und krank, besonders diejenigen, die im Gefängnis waren. Diese Alten brauchen entsprechende Hilfen in den verbleibenden Jahren ihres Lebens. Im Moment wird eine Krankenstation gebaut. Nächstes Jahr soll der Bau eines Ausbildungshauses für 50 junge Jesuiten begonnen werden.

Wie ein unterirdischer Strom immer einen Weg findet, um an die Oberfläche zu gelangen und die Erde zu tränken und fruchtbar zu machen, so sehnen sich die Jesuiten in Vietnam nach dem Augenblick, an dem sie ganz im Tageslicht stehen können und in einer sichtbaren Weise ihre vielfältigen Dienste in der Kirche leisten können. Bis dahin fließt der Strom tief weiter!

Pater  Michael Thanh SJ

Wichtigste Fahrzeuge in den großen Städten bleiben die Motorräder, die zunehmend die Fahrräder ablösen.

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